(pd) Die Unabhängige Fachstelle für Sozialhilferecht UFS lehnt die geplante Rechtsgrundlage für die Observation von Sozialhilfebeziehenden durch Privatdetektive im Kanton Aargau gemäss § 19b (neu) ff. SPG aus fachlichen Gründen ab. Sie ist rechtsstaatlich ungenügend und nicht zielführend. Sollte der Grosse Rat diese Möglichkeit gleichwohl schaffen wollen, so sollen Observationen von Sozialhilfeempfangenden nur nach einer Bewilligung durch den Kanton möglich sein, wie dies beispielsweise im Kanton Zürich der Fall ist.
Heute debattiert der Grosse Rat des Kantons Aargau über die Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Observation von Sozialhilfebeziehenden. Im Kern sollen die Aargauer Gemeinden dadurch das Recht erhalten, Sozialhilfebeziehende faktisch freihändig durch Privatdetektive überwachen zu lassen. Aus fachlicher Sicht lehnt die Unabhängige Fachstelle für Sozialhilferecht UFS die Überwachung von Sozialhilfebeziehenden durch Privatdetektive primär aus folgenden Gründen ab:
- Die Observation von Sozialhilfebeziehenden ist Aufgabe der Polizei. Die Strafprozessordnung regelt sehr detailliert, wann und unter welchen Voraussetzungen verdeckt ermittelt werden darf. Die Regeln der Strafprozessordnung sind grundrechtskonform und auch menschenrechtskonform. Die weitaus weniger präzisen und lückenhaften Bestimmungen im Sozialhilfe- und Präventionsgesetz (SPG) des Kantons Aargau zur Observation von Sozialhilfebeziehenden dürften somit weder vor dem Bundesgericht noch vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Bestand haben. Es ist nicht zielführend, wenn die Sozialhilfeorgane «Polizei spielen» und Sozialhilfebeziehende selber verdeckt überwachen dürfen. Besonders stossend ist, dass im SPG weniger rechtliche Leitplanken für die Überwachung von Sozialhilfeempfangenden vorgesehen sind, als dies bei schweren Straftaten der Fall ist.
- Wenn Sozialämter eine Überwachung anordnen, sind sie Partei und Untersuchungsbehörde in einem. Das ist rechtsstaatlich äusserst bedenklich.
- Sozialhilfebeziehende werden noch stärker unter Generalverdacht gestellt. Schon ohne die Überwachungen müssen sie den Behörden weitgehende Einblicke in ihr Privatleben gewähren. Sozialdienste besitzen somit bereits heute genügend Mittel, um im Einzelfall eine Strafanzeige einzureichen. Den Umweg über einen Privatdetektiv und die daraus resultierenden Kosten können sie sich sparen.
Observationen nur nach Bewilligung durch das Departement Volkswirtschaft und Inneres oder die Bezirksgerichte
Sollte der Grosse Rat sich trotzdem für die Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Observation von Sozialhilfebeziehenden aussprechen, so ist es rechtsstaatlich nicht haltbar, dass die rund 200 kommunalen Sozialbehörden ohne vorgängige Überprüfung Observationen von Sozialhilfebeziehenden für die Dauer von 30 Tagen anordnen dürfen. Aber genau das ist im aktuellen Gesetzesentwurf (§ 19c (neu) Abs. 2 SPG) vorgesehen. Damit Rechtssicherheit und Rechtsgleichheit gewahrt bleiben, müsste deren Anordnung von einer kantonalen Behörde, die über Erfahrung im Umgang mit Strafverfahren verfügt, zu bewilligen sein. Der Kanton Zürich hat dies vergleichbar im Sozialhilfegesetz (§ 48a, Abs. 1 SHG) geregelt. So müssen im Kanton Zürich Observationen von Sozialhilfebeziehenden durch die Bezirksräte, die der Direktion der Justiz und des Innern angehören, genehmigt werden. Im Kanton Aargau wären dafür entsprechend das Departement Volkswirtschaft und Inneres oder die Bezirksgerichte prädestiniert.
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